Erbschaftsteuer in Länderhand! – Bayern stellt Normenkontrollantrag in Karlsruhe
Der Bayerische Staatsminister der Finanzen und für Heimat, Albert Füracker, MdL, hat am 23. Mai 2023 vor dem Bayerischen Landtag seine Regierungserklärung Erbschaftsteuer in Länderhand! – Bayern stellt Normenkontrollantrag in Karlsruhe gehalten.
– Es gilt das gesprochene Wort –
I. Keine Reaktion des Bundesgesetzgebers trotz steigender Immobilienpreise
1. Eigentumsfeindliche Politik der Bundesregierung
2. Rasante Entwicklung der Immobilienpreise in Bayern
3. Freibeträge und Steuersätze seit mehr als einem Jahrzehnt unverändert
4. Bundesfinanzminister Lindner bleibt untätig
II. Verschärfung durch das Jahressteuergesetz 2022
1. Höhere Wertansätze durch das neue Bewertungsrecht
2. Forderungen Bayerns auf Bundesebene
III. Ziele Bayerns vor dem Bundesverfassungsgericht
IV. Teilweise Verfassungswidrigkeit des ErbStG
1. Keine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes
2. Rechtsprechung des BVerfG gibt Anpassung der Freibeträge vor
3. Eigentumsgarantie und Schutz von Ehe und Familie
V. Unser Ziel: Nachhaltiger Schutz von Mittelstand und Arbeitsplätzen
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute hat die Bayerische Staatsregierung eine außerordentlich wichtige und zwingend notwendige Entscheidung getroffen. Wir halten Wort: Bayern klagt gegen die Erbschaftsteuer! Bayern klagt für das Eigentum, aus Respekt für die Lebensleistung der Menschen in Bayern! Eigentum hat für uns in Bayern zentrale Bedeutung.
I. Keine Reaktion des Bundesgesetzgebers trotz steigender Immobilienpreise
1. Eigentumsfeindliche Politik der Bundesregierung
Wir halten Wort, denn wir haben uns immer bemüht und auf allen parlamentarischen Ebenen immer dafür gekämpft, dass es im Hinblick auf die Erbschaftsteuer in diesem Land zu keinen ungerechtfertigten Steuererhöhungen kommt. Ich hatte immer gehofft, dass uns die Ampel in Berlin dabei unterstützt, insbesondere die FDP, die ja eigentlich immer eine Partei sein wollte, die keine Steuern erhöht. Das ist nicht geschehen. Jetzt müssen wir eben versuchen, auf dem gerichtlichen Weg über das Bundesverfassungsgericht das zu erstreiten, was für die Menschen in Bayern gut und dringend notwendig ist.
Wir wollen und können die eigentumsfeindliche Politik der Bundesregierung nicht länger akzeptieren. Die Bayerische Staatsregierung hat sich bereits seit langem mit Nachdruck für Anpassungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer eingesetzt. Wir kämpfen für Eigentum von Familien und Mittelstand. Das ist entscheidend. Es geht nicht um eine Entlastung von „Superreichen“. Es geht nicht darum, dass die Erbschaftsteuer im Widerspruch zur Bayerischen Verfassung abgeschafft werden soll. Das ist nicht der Hintergrund der Klage. Wir können eine Klage auch nur zu Punkten führen, die realistischerweise verändert werden können. Forderungen, die Erbschaftsteuer komplett abzuschaffen, dürften weder im verfassungsgerichtlichen Verfahren noch im parlamentarischen Verfahren auch nur ansatzweise Erfolg versprechen.
2. Rasante Entwicklung der Immobilienpreise in Bayern
Die stark gestiegenen Grundstücks- und Immobilienpreise sind eine große Belastung für Bürgerinnen und Bürgern. Dies ist beim Kauf spürbar, aber auch beim Erben, da die Verkehrswerte von Grundstücken nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich für die Erbschaftsteuer sind. Die Boden- und Immobilienpreise sind in den letzten Jahren rasant gestiegen. In Bayern haben sie sich seit 2009 vielerorts verdoppelt und verdreifacht.
3. Freibeträge und Steuersätze seit mehr als einem Jahrzehnt unverändert
Im Gegensatz dazu wurden die Freibeträge seit der Erbschaftsteuerreform vor 13 Jahren nicht mehr erhöht. Für Ehegatten stehen 500.000 Euro, für Kinder 400.000 Euro zur Verfügung. Ein steuerfreies Erben von Einfamilienhäusern ist in vielen Teilen Bayerns schon lange nicht mehr möglich. Ziel der Reform von 2009 war die Entlastung der nächsten Generation. Realität ist aber heute die übermäßige Belastung der nächsten Generation.
Ebenso sind die Steuersätze seit 2008 bzw. in der Steuerklasse II seit 2009 unverändert. Die Steuerlast liegt zwischen 7 und 50 Prozent je nach Verwandtschaftsverhältnis und Wert des steuerpflichtigen Erwerbs. Aufgrund der steigenden Preise und einer immer höheren Bewertung kommt es zur kalten Progression. Dazu kommt die regional völlig unterschiedliche Wertentwicklung. Bayern ist besonders betroffen; der Anpassungsbedarf liegt dementsprechend auf der Hand. Die Freibeträge müssen heraufgesetzt und regionalisiert werden. Wir als Bayerische Staatsregierung verfolgen diesen Weg schon länger, schon seit der Zeit der Großen Koalition.
Zudem liegt eine unterschiedliche Wertentwicklung bei Grundstücken innerhalb von Deutschland vor. Bayern als attraktive Gegend ist von besonders hohen Preisen betroffen. Ein Anpassungsbedarf liegt auf der Hand: Wir brauchen höhere Freibeträge und eine Anpassung an regionale Gegebenheiten.
4. Bundesfinanzminister Lindner bleibt untätig
Nachdem die Ampel mit der FDP in Berlin gebildet worden war, dachte ich, jetzt wäre hierfür eine gute Gelegenheit. Bundesfinanzminister Lindner werde für Eigentümer ein besonders großes Herz haben und sich für den Schutz des Eigentums einsetzen. Ich war hoffnungsvoll und schrieb dem Bundesfinanzminister im vergangenen Jahr. Ich bat ihn, die Erbschaftsteuer auf die Tagesordnung zu setzen und dafür zu sorgen, dass die Freibeträge der Realität angepasst werden und die Erbschaftsteuer regional, in den Ländern, gestaltet werden kann. Dazu bedarf es einer Länderöffnungsklausel. Die Steuersätze müssen auch gesenkt werden können.
Der Antwortbrief des Herrn Lindner aus dem Bundesfinanzministerium lautete, das Erbschaftsteuerrecht werde in keiner Weise verändert; ich solle mich halt damit abfinden. Ich hatte schon fast resigniert, habe dann aber in der Debatte um das Jahressteuergesetz 2022 etwas entdeckt, meine Damen und Herren. In der Vorlage für das Jahressteuergesetz hat derselbe Bundesfinanzminister, der noch im Frühjahr schrieb, an der Erbschaftsteuer werde nichts verändert, plötzlich die neuen Bewertungsregeln heimlich, still und leise angepasst und in das Gesetz geschrieben.
II. Verschärfung durch das Jahressteuergesetz 2022
1. Höhere Wertansätze durch das neue Bewertungsrecht
Statt Entlastungen hat die Ampelregierung die Situation mit dem Jahressteuergesetz 2022 weiter verschärft. Die Immobilienbewertung wurde an aktuelle Vorgaben der Verkehrswertermittlung durch die ImmoWertV vom 14. Juli 2021 angepasst. Dies war zwar formal korrekt, da dadurch zwingende Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt worden sind. Aber die Bundesregierung hätte im gleichen Zug auch Freibeträge und Steuersätze anpassen müssen!
In vielen Fällen kommt es durch das neue Bewertungsrecht zu höheren Wertansätzen. Folglich steigt die Erbschaftsteuer erheblich und es kommt zu Steuererhöhungen durch die Hintertür! Dies wird dazu führen, dass sich viele Menschen ihr Erbe nicht mehr leisten können. Kinder müssen das Elternhaus verkaufen, um Steuerlast begleichen zu können. Das ist eine ungerechte und übermäßige Belastung.
2. Forderungen Bayerns auf Bundesebene
Bayern hat vor Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2022 mehrfach versucht, Bund und andere Länder hiervon zu überzeugen. Bundesfinanzminister Linder hat zwar Unterstützung zugesichert, aber nicht in das Gesetz aufgenommen. Der Bund blieb untätig, obwohl es sich bei dem Erbschaftsteuergesetz um ein Bundesgesetz handelt. Verwunderlich ist, dass die Mehrheit der Länder die Initiative von Bayern im Bundesrat nicht unterstützt hat. Bayern sieht mehr denn je dringenden Handlungsbedarf. Der Weg zum Bundesverfassungsgericht ist jetzt die ultima ratio!
III. Ziele Bayerns vor dem Bundesverfassungsgericht
Wir wollen mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erreichen, was wir auf Bundesebene nicht durchsetzen konnten:
Erstens die Erhöhung der persönlichen Freibeträge. Noch einmal: Die Freibeträge wurden letztmals 2008/2009 angepasst, seither nicht mehr. Die zu versteuernden Werte haben sich seitdem mancherorts mehr als verdoppelt.
Zweitens die Regionalisierung der Erbschaftsteuer durch eine Länderöffnungsklausel. Immobilien sind in Bayern im Preis weitaus stärker gewachsen als in anderen Bundesländern. Warum sollen wir in Bayern bei höchsten Immobilienbewertungen Freibeträge haben, die genauso hoch sind wie in Bundesländern, in denen Immobilien bei Weitem nicht so stark im Preis gestiegen sind? Das ist eine klare Benachteiligung Bayerns. Deswegen fordern wir regionalisierte Freibeträge.
Drittens: Wir wollen in Bayern die Freiheit bei der Festlegung der Steuersätze haben. Auch hierfür wollen wir klagen!
IV. Teilweise Verfassungswidrigkeit des ErbStG
1. Keine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes
Nach intensiver rechtlicher Prüfung wird bereits die Gesetzgebungskompetenz von Bund mindestens in Teilbereichen nicht gesehen. Der Bund ist nur zuständig „wenn und soweit“ eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist. Landesrechtliche Regelungen können regionale Besonderheiten, insbesondere die Entwicklung der Immobilienpreise, besser abbilden und berücksichtigen.
Zudem ist die Erbschaftsteuer eine Ländersteuer – das Aufkommen bleibt bei den Ländern. So wäre es nur konsequent, wenn die Länder wesentliche Aspekte wie die Freibeträge oder die Steuersätze selbst festlegen könnten. Deswegen brauchen wir eine Länderöffnungsklausel, die uns das ermöglicht.
2. Rechtsprechung des BVerfG gibt Anpassung der Freibeträge vor
Die Anpassung der Freibeträge ist aber auch aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geboten. Das Bundesverfassungsgericht forderte 1995 bereits, dass Freibeträge so bemessen sein müssen, dass der Nachlass bei der Steuerklasse I zumindest zum deutlich überwiegenden Teil steuerfrei ist. Zusätzlich soll eine Orientierung „an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser“ erfolgen. Damit formulierte das Bundesverfassungsgericht einen klaren Auftrag an den Gesetzgeber: Freibeträge müssen an Entwicklung der Immobilienpreise angepasst werden.
3. Eigentumsgarantie und Schutz von Ehe und Familie
Im Übrigen darf die Erbschaftsteuer nicht zu einer übermäßigen Belastung führen. Die Eigentumsgarantie in Art. 14 GG und der Schutz der Familie in Art. 6 GG müssen gewahrt werden. Die derzeitigen Steuersätze werden der Schutzwirkung nicht gerecht, wenn Kinder das Elternhaus wegen zu hoher Steuer verkaufen müssen.
V. Unser Ziel: Nachhaltiger Schutz von Mittelstand und Arbeitsplätzen
All das spielt auch eine Rolle bei der Unternehmensnachfolge. Jeder Euro, den Unternehmen an Erbschaftsteuer zu bezahlen haben, fehlt ihnen später an Liquidität für Investitionen. Wir müssen auf Mittelstand, auf Handwerk, auf Landwirtschaft größten Wert legen; das sind Träger der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass unsere Unternehmen investieren und Arbeitsplätze schaffen können.
Wir haben wirtschaftlich keine einfachen Zeiten. Die Erbschaftsteuer darf keine Arbeitsplätze gefährden. Mit der Erhöhung der Freibeträge und der Senkung der Steuersätze würden wir nicht nur Eigenheime, sondern auch Arbeitsplätze im Mittelstand sichern. So ist unser Normenkontrollantrag praktizierter Mittelstandsschutz. Wir sind als Anwalt des Mittelstands und der Familien, als Regierung für Bayern seit Jahren ganz klar auf Kurs. Da uns niemand sonst auf diesem politischen Weg unterstützt, reichen wir nun diese Klage ein.
Natürlich bleibt auch eine sachgerechte Weiterentwicklung zur Schonung der Unternehmensnachfolge ein zentrales bayerisches Anliegen. Unsere Forderungen aus dem bayerischen Bundesratsentschließungsantrag von 2020 bleiben selbstverständlich auf der Agenda. Bayern tritt für die Interessen seiner Bürgerinnen und Bürger ein. Wir kämpfen für Mittelstand, Wirtschaft, die Arbeitsplätze, das Handwerk, die Bauern, die Menschen, die mit ihren Familien betroffen sind. Die Länderöffnungsklausel gäbe uns die Chance. Wir wollen sicherstellen, dass hart arbeitende Menschen, die sich auch Eigentum geschaffen haben und dafür Respekt verdienen, dieses Eigentum auch auf nächste Generationen übertragen können, ohne dass schon einmal versteuertes Eigentum noch einmal vom Staat besteuert wird.
Mit der Erhöhung der Freibeträge, mit der Regionalisierung der Freibeträge, können wir sicherstellen, dass Familien, dass Mittelständler, dass kleine Unternehmen keine Erbschaftsteuer zu bezahlen haben. Dieses Ziel entspricht der Intention des Gesetzes von 2009 sowie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.
So wollen wir diese Möglichkeit nutzen, Ungerechtigkeiten und Belastungen für unsere Bürgerinnen und Bürger zu verhindern, und ich bitte ganz herzlich um Ihre Unterstützung!
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